dieBasis Rostock antwortet auf Fragen von stadtgespraeche-rostock.de zur Bürgerbeteiligung


Vielen Dank, dass Sie uns kontaktiert haben. Das von Ihnen bereitgestellte Video über Bürgerbeteiligung ist sehr gelungen und es werden die verschiedenen Aspekte von gelingender Bürgerbeteiligung gut dargestellt. Unserer Ansicht nach ist jedoch schon das Wort Bürgerbeteiligung problematisch. Das Wort Beteiligung impliziert eine unterwürfige bzw. untergeordnete Rolle der Bürger. Eigentlich sind sie von Entscheidungen ausgeschlossen, sie werden aber „gütiger Weise“ ein bisschen beteiligt. Dabei sind doch die Bürger der Souverän der Stadt. Alle Institutionen – sei es die Verwaltung oder die Bürgerschaft – sind Beauftragte der Bürger. Daher sollte es mindestens Bürgermitbestimmung heißen oder Bürgerselbstbestimmung. Die Gestaltungshoheit sollte bei den Bürgern der Stadt liegen und nicht bei einer kleinen Machtelite. Natürlich geht es nicht ganz ohne repräsentative Elemente in einer Demokratie, die Bürger sollten aber wesentlich in Entscheidungs- und Gestaltungsprozesse miteinbezogen werden. Bei schon vorhandener Bürgerbeteiligung hat man oft den Eindruck, dass das Ergebnis schon vorher feststeht bzw. eine bestimmte Richtung bereits vordefiniert ist, was dann eine Alibi-Bürgerbeteiligung darstellt ohne wirklichen Einfluss der Bürger. Bislang beteiligen sich nur wenige Bürger am politischen Leben unserer Hansestadt. Das hat vielfältige Ursachen, die auch nicht alle sofort abgestellt werden können. Man muss auch anerkennen, dass aufgrund historischer Entwicklung die Demokratiefähigkeit der Bürger – also der Wille zur Mitgestaltung – noch nicht so stark ausgeprägt ist und daher viele Mitbestimmungsangebote garnicht wahrgenommen werden. Eins ist aber sicher: Wenn jeder Haushalt regelmäßig eine Tüte Papier in den Briefkasten bekommt mit Unterlagen für einen verbindlichen Bürger-Entscheid bei wichtigen Themen, beteiligen sich prozentual viel mehr Bürger. Wie in der Schweiz. Wir hoffen auf einen gesellschaftlichen Wandel, dass die Menschen sich mehr verantwortlich für Ihre Umgebung fühlen und sie mitgestalten wollen.


Nun zur Beantwortung Ihrer Fragen:

  1. Welche Aussage des von uns bereitgestellten Films ist aus Ihrer
    Sicht die wichtigste? Gibt es darin auch Aussagen, denen Sie in dieser Form
    nicht zustimmen würden – und, wenn ja, warum nicht?

    Die wichtigste Aussagen sind unserer Ansicht nach die Frühzeitige Einbindung der Bürger in
    Gestaltungsprozesse und die verbindliche Ergebnisverwendung. Natürlich darf eine Qualifizierungsphase, in der verschiedene Experten und Perspektiven zu Wort kommen, auch nicht fehlen, um qualifizierte Urteile abgeben zu können.

    Nicht zustimmen können wir der Aussage: „Bürgerbeteiligung ist kein Ersatz für parlamentarische
    Prozesse.“ Diese Annahme ist genau der Grund, warum die Bürgerbeteiligung in Rostock (und an vielen anderen Orten der Welt) gescheitert ist – siehe Literatur. Alle bisher benutzten Formen der
    Bürgerbeteiligung haben keinerlei Verbindlichkeit für irgendeinen parlamentarischen Prozess. Sie sind „nice to have“ und laufen meist ins Leere, denn die Abgeordneten sind laut Gesetz frei und unabhängig in ihrer Willensbildung. Ehe also nicht gesetzlich und verbindlich geregelt ist, ob und wieviel Einfluss die Bürgerbeteiligung in Kombination mit der repräsentativen Demokratie hat, wird sie scheitern und nur zu noch mehr Politikverdrossenheit führen.

    1. Wollen Sie in der kommenden Bürgerschaftslegislatur neue oder
      bestehende Formate der Bürgerbeteiligung nutzen, um die Akzeptanz für
      Entscheidungen zu erhöhen? Falls ja: Welche Schritte planen Sie konkret –
      und inwiefern beinhaltet das auch eine Nutzung etablierter
      Beteiligungsformate (siehe u.a. die auf der Informationsseite
      vorgestellten)?

    Selbstverständlich wollen wir etablierte Formate nutzen und weiter stärken. Was noch fehlt ist ein
    funktionierende Gesamtstruktur. Das fängt bei der Vernetzung aller Beteiligungsformate und Einbindung in Entscheidungsprozesse an und setzt sich bei verbindlichen satzungsrechtlicher Regeln fort. Die Schaffung eines modernen digitalen Bürgerportals, wo die Bürger umfassend informiert und Mitgestaltung gelebt werden kann ist zwingend erforderlich. Es gab da schon Versuche und Ansätze, aber leider nicht sehr erfolgreich. Auch soll eine rechtlich zulässige und effiziente Möglichkeit für regelmäßige Bürgerentscheide erarbeitet und eingeführt werden.

    Das systemische Konsensieren ist eine qualitativ hochwertige Entscheidungsfindungsmethode und wird auch in der Partei dieBasis laut Satzung angewendet. Dies kann auch für Entscheidungsprozesse in der Stadt Anwendung finden.

    Bürgerversammlungen auf Ortsbeirats-Ebene haben sich in Rostock als erfolgreiches Mittel der
    Kommunikation bewährt. Die Partei dieBasis strebt an, diese beizubehalten und zu erweitern.
    Insbesondere fordern wir vierteljährliche Bürgerversammlungen für die gesamte Stadt in der
    Stadthalle, dem Ostsee-Stadion, der Messe-Halle oder unter freiem Himmel.

    Die Partei dieBasis fordert verbindliche Bürger-Entscheide über Großprojekte mit einem Entscheidungswert von 30 Millionen Euro. Wesentliche Entscheidungen bzw. Investitionen wie z.B. der Theaterbau, Schwimmhalle oder Hafen-Erweiterung müssen durch die Einwohner verbindlich legitimiert werden.

    1. Wie kann sichergestellt werden, dass die Ergebnisse der Beteiligung
      auch wirklich genutzt werden?

    Dies wird durch Regelungen in der Rostocker Satzung verbindlich festgeschrieben und durch Verträge und Beschlüsse ergänzt. Sollten auf Landesebene rechtliche Beschränkungen bestehen, soll auch dort auf die Erweiterung der Bürgermitbestimmung hingewirkt werden. Auch können die Parlamentarier, also die Abgeordneten der Bürgerschaft, eine freiwillige Selbstverpflichtung abgeben, nicht gegen die Ergebnisse von Bürgerbeteiligungen zu verstoßen.

    1. Was braucht es noch, um mehr Bürger:innenbeteiligung für die
      politischen Entscheidungsprozesse der Stadt zu nutzen? Und was braucht es,
      damit die gesetzlich vorgeschriebene Kinder- und Jugendbeteiligung endlich
      auch in Rostock gelingt?

    Ersteinmal braucht es den politischen Willen der Bürgerschaft, die Bereitschaft der Stadtverwaltung und ein gesellschaftliches Klima des Mitgestaltungswillens. Wir brauchen nicht weitere Konzepte,
    Arbeitsgruppen und Gesprächskreise, sondern den Willen und die Bereitschaft zum Handeln. Einfach anfangen, es zu tun. Ausreden, etwas nicht zu tun, kann man immer finden. Jeder einzelne sollte wieder lernen, die Verantwortung für sein Handeln und das, was um einen herum geschieht, zu übernehmen.


    der Vorstand – dieBasis Rostock